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Beitrag:  Nr. 22

Ausschnitt aus der Sudetendeutsche Zeitung, vom  6. April 2001   Wissenschaft                
Hier die Buchrezension:   Das Buch selbst - zwischenzeitlich Teil 2 verfügbar,
erhalten   Sie über die Sudetendeutsche Landsmannschaft in München.!

(Link - Seite )
„Odsun - Die Vertreibung der Sudetendeutschen“ Eine neue deutsch-tschechische Dokumentation / Von Dr. Rudolf Hilf
Seit mehreren Jahren arbeitet das Sudetendeutsche Archiv in München an dieser deutsch-tschechischen Dokumentation zu den „Ursachen, Planung und Realisierung einer,ethnischen Säuberung , in der Mitte Europas 1;848/49-1945/46“. Der Band 1 behandelt die Zeit vom Völkerfrühling und Völkerzwist 1848/49 bis zum Münchner Abkommen 1938 und zur „Errichtung des Protektorats Böhmen und Mähren“ 1939. 944 Seiten, 60 Karten, 12 Grafiken sowie 380 Abbildungen und faksimilierte Dokumente. Die vom Sudetendeutschen Archiv herausgegebene Edition wurde von Roland J. Hoffmann und Alois Harasko zusammengestellt und bearbeitet. Die Übersetzungs- und Redaktionsarbeiten sind eine Teamleistung ersten Ranges, an der alle Mitglieder des Archivs sowie mehrere freie Mitarbeiter Anteil hatten. Der nächste Band 2, der die eigentliche Vertreibung und seine Ursachen und Planungen zusammenfaßt, ist in Vorbereitung und wird in einem gleich großen Umfang gegen Ende des kommenden Jahres erscheinen.
Vorweg schon läßt sich sagen, daß das Sudetendeutsche Archiv unter seinem damaligen Vorsitzenden, Jörg Kudlich, und seinem wissenschaftlichen Leiter, Dr. Roland J. Hoffmann, sich und der Volksgruppe ein Denkmal gesetzt hat. Nicht nur für die hervorragende wissenschaftliche Arbeit, sondern auch für das klar zu Tage tretende Bemühen, an diese große Aufgabe nicht mit verständlicher Voreingenommenheit und Schwarzß Klischees heranzugehen (wie sie im Nationalitätenstreit in aller Welt üblich sind), sondern mit dem Willen zur Wahrheit und zum Verstehen auch der generischen Positionen, ohne die es nirgendwo in der Welt Frieden geben kann.
Den Zwist überwinden
Und leider liegt da immer noch ein weiter Weg vor uns und vor dem tschechischen Volk. Die beiden Bände sollen nicht den Zwist verschärfen, sondern helfen, ihn zu überwinden. Das sagt Jörg Kudlich schon in seinem Vorwort-„Möge die Intention, die dieser Publikation' zugrunde , liegt, Wirklichkeit werden, nämlich Sudetendeutsche und Tschechen auf der Grundlage der Wahrheit und des Rechts zu versöhnen und wieder zusammenzuführen“. Wir sehen das heute ganz deutlich und höchstaktuell bei einem anderen ähnlichen Problem- im Nahen.Osten zwischen Israelis und Palästinensern - wo politische Schlaumeierei einen unredlichen Scheinfrieden konstruierte, für den Friedensnobelpreise verliehen wurden, der aberbei der ersten Bewährungsprobe wie ein Kartenhaus in sich zusammenstürzte und heute - wie in einem Brettspiel „zurück zum Feld Eins“ - in der ganzen Region alle dazu zwingen wird, die Dinge neu zu verstehen und alles neu zu ordnen.
Ist das Beispiel zu weit hergeholt? Der Rezensent glaubt das nicht. Er meint, daß der besondere Wert dieses Dokumentenwerks des Sudetendeutschen Archivs gerade darin besteht, die großen Zusammenhänge aufzu und daß man den Bogen bis zu 1848/49 - also 150 Jahre zurückschlägt, denn zumindest damals begann unser sudetendeutsch-tschechischer Konflikt, obgleich es das Wort „sudetendeutsch“ als politischen Begriff zu jener Zeit noch gar nicht gab. Die politischen „Eintagsfliegen unserer Zeit, ob sie sich nun für Staatsmänner halten oder in den Medien schnell; von einem Tag zum anderen ihre Urteile abgeben, sehen das ja anders, sie sind auf einzelne Punkte der political correctness fixiert:
Für sie beginnt dieser Konflikt mit Adolf Hitler als dem Hauptschuldigen der ganzen Zeit und in seiner Gefolgschaft die Sudetendeutschen und damit wird alles weitere in einem klaren „Ursache-Folge-Konnex" geklärt, erklärt und „gerechtfertigt". Ein Abzugsbild dieser Auffassung ist in gewisser Weise auch die Deutsch Deklaration und überhaupt bereits jahrzehntelang die Stimmung in den großen Medien und den meisten politischen Parteien gegen die Sudetendeutschen, die sich erst seit kurzer Zeit zu ändern beginnt.

Für die anderen, und hierzu gehören wir selbst, - zumindest eine Mehrheit von uns, wie eine Mehrheit der Tschechen an der ersten Auffassung festhält - beginnt alles Böse mit Edvard Benes, als Planer und geschichtlicher Durchführer der Vertreibung von dreieinhalb Millionen Deutschen, die über 800 Jahre in den böhmischen Ländern ihre rechtmäßige, nicht durch Eroberung, sondern durch Arbeit erworbene Heimat hatten. Das Unheil beginnt für diese Sicht dann erst 1945 oder 1939 (wobei „München" nur den Charakter einer Wiedergutmachung erhält) oder 1918/19 durch die gegen das Selbstbestimmungsrecht wirkende zwangsweise Eingliederung in den Nationalstaat einer neuen fiktiven „tschechoslowakischen" Nation.
An beiden Auffassungen ist Wahres und Falsches, über die man sich weitere Jahrzehnte streiten kann. Wichtig aber ist festzuhalten: beide Auffassungen führen, allein für sich genommen, zu keinem Frieden, sondern nur zu neuen Verhärtungen und schließlich zur Vergiftung der Beziehungen in ganz Mitteleuropa.

VERÖFFENTLICHUNG DES SUDETENDEUTSCHEN ARCHIVS


DER SUDETENDEUTSCHEN            -     VYHNÁNÍ SUDETSKÝCH NEMCU
DOKUMENTATION                   -                            DOKUMENTACE

Ein Verdienst dieser Quellenedition des Sudetendeutschen Archivs besteht vor allem darin, daß Dr. Roland J. Hoffmann, der wissenschaftliche Leiter, in einer siebzigseitigen Einführung „Die Vertreibung der Sudetendeut in geschichtlicher Perspektive“ auf diese größeren historisch-politischen Zusammenhänge hingewiesen hat, die dann in den Dokumenten beispielhaft belegt werden. Die beiden Bände, davon ist der Rezensent über werden deshalb nicht nur für die historische Forschung ein Unikum sein – es gibt bisher nichts, was sich dem an die Seite stellen ließe – sondern sie werden zum Verstehen dieser unheilvollen Entwicklung - nicht nur im sudetendeutsch-tschechischen Fall - sondern auch in anderen Bereichen beitragen können. Denn, war das 20. Jahrhundert das Jahrhundert der Vertreibungen,  vom ersten Rinnsal vor dem Ersten Weltkrieg in den beiden Balkankriegen;    bis zum breiter werdenden Fluß der ersten „ethnischen Säuberungen" im Ersten und nach dem Ersten Weltkrieg;   und zum alles zerstörenden Strom des Holocaust an den Juden im Zweiten Weltkrieg und der Vertreibung von fünfzehn Millionen Deutschen und ähnlichen, Millionen Menschen betreffende von Politikern erzeugte, Katastrophen in Asien nach dem Zweiten Weltkrieg und in Afrika heute;
so liegen die eigentlichen Wurzeln doch bereits im bürgerlich-demokratischen 19. Jahrhundert der entstehenden Nationalstaaten nach der napoleonischen Zäsur. Und dorthin führt uns dieser Dokumentenband 1. Das deutsch-tschechische Verhältnis ist, wie mir Peter Glotz einmal in einer Planung einer Publikation zu den Genoziden in der heutigen Welt dargelegt hat, geradezu der klassische Sündenfall. Nichts ist so belegt wie er.
Klassischer Sündenfall
Das Grundlegende und Vergleichbare ist, daß sich in dieser Epoche schrittweise der Zerfall der großen übernationalen Reiche vorbereitete: Zuerst des Sacrum Imperium Romanum, dessen letzter Rest das österreichische Kaisertum war; dann ein Jahrhundert später das Reich des Zaren, des Nachfolgers von Ostrom; und schließlich das des islamischen Kalifen, das von den Türken beherrscht wurde. In allen drei Fällen traten neue Nationalstaaten westeuropäischen Typs das Erbe an, in Rußland nur unterbrochen von der Stalinschen Diktatur und einer gleichmacherischen Ideologie, die alle Völkerprobleme gewaltsam unter Verschluß hielt. heute sind sie wieder da und ungelöst. Dasselbe spielte sich im Orient ab, wo nach dem islamischen Reich die Kolonialmächte und die von ihnen herausgeschnittenen uneigentlichen Nationalstaaten an die Stelle traten und damit neue diskriminierte Minderheiten entstanden. Diese „neue Ordnung“ vergiftet gerade gegenwärtig diese Region so sehr, daßdort globale Zusammenbrüche und globale Konfrontationen wieder möglich werden.
Wo aber die ganze Sache anfing, war Mitteleuropa. Dort mußten die Deutschen insgesamt eine neue Identität finden und damit auch einen neuen staatlichen Ausdruck. Das beeinflußte auch alle Nachbarn, in erster Linie die Völker des habsburgischen Kaiserreichs. Die Tschechen, die Polen, die Ungarn, die Süd Letztere wurden zur Zündung des Ersten Weltkriegs. Eine Buchbesprechung ist kein Geschichtsvortrag, kann es nicht sein. Aber wenn man nach den Wurzeln auch einer speziellen Sache sucht, muß man wissen, in welchem Horizont das alles steht.
Nachdem das Alte Reich untergegangen war und Napoleon ihm den letzten Todesstoß versetzt hatte und der sogenannte Deutsche Bund nur noch den momentanen Status des Wiener Kongresses verteidigte, also kaum von Dauer sein konnte hatten die Deutschen um die Mitte des 19. Jahrhunderts nur noch zwei Möglichkeiten, sich neu zu ordnen:

Föderativ oder National
Entweder Föderativ-Übernational durch einen Staatenbund vom Rhein bis zum Schwarzen Meer und von der Nordsee bis zur Adria. Das war der Plan des großen Staatsmannes auf der österreichischen Seite, des aus fränkischem Uradel stammenden Fürsten Felix zu Schwarzenberg;
Oder Nationalstaatlich nach französischem Vorbild. Und hier wiederum stand zur Wahl: kleindeutschßisch oder großdeutsch, mit Einschluß aller Deutschen, das heißt der Deutschen Österreichs, nicht nur der der Alpenländer, sondern auch der der Sudetenländer. Otto von Bismarck, der andere große Staatsmann Mitteleuropas, sah die Gefahr, die für ganz Europa durch die Zerstörung Österreichs drohte und hat dann eine ganz persönliche Lösung erzwungen, die allerdings viele Fragen offen ließ. Als die Alliierten am Ende des Esten Weltkrieges in Verblendung die Zustimmung zur Zerschlagung Österreich-Ungarns gaben, brachen sie wieder auf. Sie machten ungewollt den Weg frei für die Fortsetzung des nationalstaatlichen Konzepts in der großdeutschen Form Hitlers und damit für den großen Krieg.       1848 jedoch stellte sich zuerst die Frage:
Gehören die Böhmischen Länder bzw. die Tschechen zum neuen Reich der Deutschen - das im echten Sinne eben gar kein „Reich" war, sondern der deutsche Nationalstaat? (Denn „Reich" umfaßt in der Geschichte immer mehrere Völker, ist eine übernationale Staats- und Ordnungsform. Das heißt das neue klein- oder großdeutsche Reich der Deutschen übernahm nur den Namen und die Ansprüche, aber nicht den Inhalt von pax et justitia für Alle des Alten Reichs und es mißbrauchte damit den Namen „Reich".) Und hier 1848/49 ist deshalb die eigentliche Geburtsstunde unseres Konflikts, nicht 1918/19 und nicht 1938/39 und nicht 1945/46. Alle Befürchtungen der Deutschen der Sudetenländer werden schon damals ausgesprochen und ebenso alle Befürchtungen der Tschechen und sie werden in diesem Band dokumentiert.
Wie sich im weiteren Verlauf der Geschichte erwiesen hat: Alle Befürchtungen, sowohl die unsrigen wie auch die der Tschechen, waren leider berechtigt. Die kommende ;,nationalstaatliche“ Ordnung Europas, die man in West und Ost, Nord und Süd enthusiastisch begrüßte und in der man eine neue demokratische Harmonie der Völker (Mazzinis „santa allianza dei popoli“, die den Frieden Europas garantieren wurde) erblicken wollte, hat in Wirklichkeit schon lange vor Hitler den gesamten mitteleuropäischen Raum destabilisiert und geradenwegs zuerst in den großen Krieg und dann in die Diskriminierung der kleinen Völker und schließlich in die Vernich der Minderheiten geführt. Auch wenn die Schuld bei diesen oder jenem Einzelnen, die in den verschiedenen Völkern die Macht ausübten, bleibt und nicht verschwiegen werden soll; es ist nicht so, daß man die Völker der Mitte Europas selbst in Gute und Böse einteilen könnte. Nur eine Selbstgerechtigkeit gepaart mit einer profunden Unkenntnis der Geschichte kann das heute noch glauben. Frontstellungen aufrecht zu erhalten, die uns gemeinsam in Katastrophen geführt haben, wäre aber das Dümmste, das Sudetendeutsche und Tschechen heute tun könnten. Das hervorragende Werk von Professor Jan K
řen „Die Konfliktgemeinschaft, Tschechen und Deutsche 1780 bis 1918“ wäre in diesem Sinne zu ergänzen durch das Adjektiv „tragisch“ - Die tragische Konfliktgemeinschaft.
Der damalige Sprecher für die wiedererweckte tschechische Nation, Frantisek Palacký, ein großer Historiker, hat das gesehen und in seinem Absagebrief an das Frankfurter Paulskirchen Parlament ausgesprochen. Brief und Diskussion um diesen Brief . finden sich in diesen Dokumenten. Der Brief Palackýs ist, wie Dr. Hoffmann schreibt, „ein Zentraldokument für die Koexistenz und den Konflikt zwischen Deutschen und Tschechen“. Er wurde im Wesentlichen zur Basis der tschechischen multinationalen Politik bis 1914. Die Deutschen der böhmischen Länder jedoch schickten ca. fünfzig Abgeordnete ins Frankfurter Paulskirchen-Parlament der deutschen Nation. Die Auflösung der gemeinsamen Geschichte kündigte sich mit dem Vordringen des neuen aus der Französischen Revolution stammenden Prinzips der Legitimierung des Staates allein aus dem Wien der Nation an.
Aber was, wenn auf historisch gemeinsamen Boden Angehörige zweier Völker leben, die sich zu verschiedenen Nationen rechnen? Solange man – wie in Österreich - in einem vom Gesetz her multinationalen Staat wohnt, mit einem Kaiser als Schiedsrichter, kann man in diesem Rahmen einen Ausgleich ohne Gewalt versuchen. Bis 1914 war das Fall und manchmal war sogar der Erfolg fast zum Greifen nahe. Aber: schon von Anfang, das heißt von 1848 an, mischten sich in diese Versuche Vertreibungsdrohungen und Beherrschungsängste. Die Demokratie half dabei gar nichts. Im Gegenteil: Sie verschärfte die Auseinandersetzungen auf beiden Seiten. Die Parteien richteten sich populistisch nach der großen Zahl der Stimmen.
Da sich die Tschechen durch den Einfluß einer neu entstehenden deutschen Nation bedroht fühlten, wuchsen bei ihnen die Tendenzen, den Deutschen der böhmischen Länder die Möglichkeit der Vertreibung aus ihrer Heimat entgegen zu halten - und zwar schon im Frühjahr 1848. Nicht nur bei den Schreiern, die es in jedem Volke gibt. Von dem großen tschechischen Dichter Karel Havlícek Borovský steht im Jahr des Völkerfrühlings 1848 in dem Gedicht „Abschied des Böhmen vom Deutschen Reiche“ der provozierende Vers:
Umres ty nebo já neumreme oba dva kdo vyhraje bude pánem a zazpívá druhému Amen a pak ho pochová.
Ob du stirbst oder ich, so sterben wir doch nicht beide, wer siegen wird, bleibt Herr, und wird dem anderen ein Amen singen und ihn dann begraben.
Von den hier dokumentierten Jahrzehnten der weiteren Konfliktgeschichte, möchte ich nur einen Vorschlag erwähnen, der meiner Ansicht nach im deutsch-sprachigen Raum noch niemals publiziert wurde. Es ist der des führenden jungtschechischen Politikers Julius Gregr.

Bedeutsamer Vorschlag
In seiner Zeitung Národní listy trat er leidenschaftlich für das Böhmische Staatsrecht – den tschechischen Nationalstaat mit den Tschechen als alleiniger Staatsnation – ein und „für den schlimmsten Fall“ .... „die Abtretung deutsch besiedelter Gebiete jenseits des Kammes der Sudeten“ (praktisch einen Teil des Egerlandes und zweier Landzipfel in Nordböhmen).
Der Plan ist deshalb von Interesse, weil T. G. Masaryk sich ausdrücklich auf ihn gegenüber Benesam Ende des Ersten Weltkrieges berief; weil der sogenannte Necas-Plan von 1938 (Benes sandte seinen Minister Necas in geheimer Mission zur französischen Regierung um durch eine Abtretung des Egerlandes und Ausweisung der übrigen zwei Millionen Sudetendeutschen gegenüber Hitler einen Alternativplan vorzulegen) in die gleiche Richtung weist; und weil ein solcher Plan im Jahre 1943 im Zweiten Weltkrieg nochmals eine Rolle bei den Gesprächen Beness mit Stalin und Molotow spielte.
Was im 19. Jahrhundert erwogen wurde, wurde im 20. getan. Die Armenier-Vertreibung 1915 war die erste gräßliche Vertreibung, die erst vor wenigen Wochen vom französischen Parlament als Genozid bezeichnet wurde und eine Krise in den Beziehungen zwischen Frankreich und der Türkei hervorrief. Aber knappe acht Jahre später (1923) stand die „Legalisierung“ einer neuen Vertreibung zur Debatte; damit ein ganz übler  Akt der Billigung von Staatsverbrechen. Vertrieben wurden die kleinasiatischen Griechen, die in ihrer Heimat seit vielen Jahrhunderten, ja vielleicht seit über 2000 Jahren gelebt hatten, und gleichzeitig die tür Minderheiten unter griechischer Herrschaft. Man nannte es schönfärberisch „Bevölkerungsaustausch“, obgleich es in Wirklichkeit eine wechselseitige brutale Vertreibung war. Benes hatte diesen „Bevölkerungen“ von 1923 im Zweiten Weltkrieg, als er die Zustimmung der Briten zur Vertreibung der Sudetendeutschen suchte, lobend erwähnt und lügnerisch behauptet, daß seitdem Griechen und Türken gute Freunde geworden seien.
Im Dokumentenband wird der Ausspruch von Lord George Curzon, des britischen Außenministers angeführt, der bei der Regelung dieser Sache anfänglich beteiligt war, dann aber die Konsequenzen erkannte. Im Konfe wurde seine Meinung festgehalten. Er warnte vor dieser tief in die demokratischen Grund- wie elementaren Menschen- und Bürgerrechte einschneidenden Maßnahmen nationaler Konfliktregelung und internationaler Friedenssicherung als „einer durch und durch schlechten, verwerflichen Lösung, für welche die Welt in den nächsten hundert Jahren schwer büßen wird“.
„Vollends zwischen die Mühlsteine des extremen deutschen und radikalen tschechischen Nationalismus“ - so Dr. Hoffmann - „gerieten die Juden Prags und der böhmischen Länder. Auf deutscher Seite von Schönerer und seinen Gefolgsleuten im Namen „des brutalen Rassenstandpunktes“ bekämpft und ausgegrenzt, wurden sie auch vom intransigenten tschechischen Nationalisten vom Schlage Baxas und Klecandas als „Fremdkörper" aus- und zurückgestoßen.
Es war für alle ein Weg in den Abgrund. 1938, als Hitler in seiner Rede im Berliner Sportpalast am 26. September erklärte: „Ich will gar keine Tschechen“, hatte einen Monat vorher Josef Goebbels in sein Tagebuch geschrieben: „Was soll mit den sechs Millionen Tschechen geschehen, wenn wir das Land einmal haben?“, und am 22. August wenige Wochen vor dem Münchner Abkommen notierte er: „Wir dürfen diese Völker, vor allem die Tschechen und ähnliche Gelichter nicht hochpäppeln, wir müssen sie vielmehr einmal herausrücken. Wir wollen nicht diese Völker, wir wollen ihr Land."
Das Land allein, ohne ihre sudetendeutschen Bewohner, wollte auch Edvard Benes als er am 12. Mai 1945 in Brünn seine Zuhörer aufforderte, „die Deutschen zu liquidieren und auszumerzen“. Damals - im Juni 1945 taucht  der Begriff „odsun“ zum ersten Mal in amtlichen Dokumenten auf und machte aus einem an sich normalen Wort der tschechischen Sprache, das zur Verharmlosung des eigentlichen brutalen Vertreibungsaktes gedacht war, für alle Zeiten ein neues „Wort des Unmenschen“.
Dieses grundlegende Quellenwerk gehört in die Hand eines jeden, der sich für das Thema der Vertreibungen und „ethnischen Säuberungen“ sowie für die Geschichte der Sudetendeutschen und der deutsch-tschechischen Beziehungen interessiert. Angesichts des Umfangs und der Ausstattung des Bandes mit zahlreichen Abbildungen, Karten und Grafiken ist der Preis von DM 148,- mehr als gerechtfertigt.

ODSUN  -   DIE VERTREIBUNG

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Beitrag:  Nr. 23  





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